zondag 5 april 2015

Judith Hermann: Zigaretten (2001)

"Was ich noch zu sagen hätte, dauert eine Zigarette."

Dieser Satz schien mir passend zur Kurzgeschichte von Judith Hermann. Sie ist "eine kleine Geschichte, beiläufig erzählt, unspektakulär", fast wie man ohne nachzudenken eine Zigarette raucht. Erzählt wird sie von dem Mann, der seine Freundin verlasst, aber nicht den Eindruck erwecken will ihr zu entfliehen. Es folgt eine Geschichte über den Mann und seine Freundin Constanze, als er etwa zwanzig Jahre alt war. Bevor Constanze musste nach Hause fahren, von Berlin nach Frankfurt Oder, aber vorher haben sie sich getroffen im Park hinter dem Alexanderplatz. "Sie haben sich nichts gestanden und nichts versprochen, sie haben nicht gezweifelt und nicht gestritten, sie waren ganz heil und einfach miteinander". Als sie später am Bahnhof noch eine letzte Zigaretten rauchen wollten, stellte sich heraus, dass sie die Packung liegen lassen hatten auf der Bank im Park. Der Mann fuhr also zurück zum Alexanderplatz und fand an dem Rand der leeren Bank die Zigaretten wieder. Er steckte die Packung in die Hosentasche und ging nach Hause.


"Ich glaube, er sagte, es sei heiß gewesen, Sommer, sie saßen auf einer dieser Bänke, eine Stunde lang, zwei."

Ich werde mich in dieser Rezension konzentrieren auf die Zeitstruktur und die Erzählerrede. Sofort am Anfang ist deutlich dass beide für diese Kurzgeschichte wichtig sind.
Es gibt einen Ich-Erzähler, eine erwachsene Frau, die von ihrem Freund verlassen wird. Sie erinnert sich an diesen Moment und an die Geschichte, die der Mann damals erzählt hat. Es ist aber die Frau, die uns diese Erinnerung erzählt, nicht der Mann selbst, und sie ist daher von ihren eigenen Emotionen geprägt. Am wichtigsten ist die Eifersucht: die Frau ist eifersüchtig auf die Einfachheit dieser kurzen Geschichte, und auf die Zeit, in der sie den Mann noch nicht kannte. Sie ist eifersüchtig auf das Damals, auf die Vergangenheit, als er und Constanze noch unbewusst, unverletzt waren, und als die andere Zeit, die der Verletzungen, der Trauer, des Verrates und der Müdigkeit, noch nicht einmal vorstellbar war.
Da wir in der kleinen Geschichte des Mannes auch die Emotionen und Kommentaren des Ich-Erzählers erfahren (sogenannte Zeitpausen), entsteht Zeitdehnung. Zeitraffung und Zeitsprünge kommen aber auch vor, zum Beispiel wenn die Frau erzählt wie sich ihr Freund und Constanze getrennt haben, und wenn sie sich an ihre Kindheit erinnert und wie sie damals Eifersucht interpretiert hat.

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