Die Kurzgeschichte von Milena Moser eignet sich sehr gut für eine Analyse der Figuren und ihre Charakterisierung. Jeden Sonntagmorgen macht die Familie einen Spaziergang; immer mit demselben Ziel: ein Besuch an Rob und dann das Essen im Landgasthof; jedes Mal in der gleiche Reihenfolge: die Mutter geht voran, das Kinn hoch, danach der Hund und der Vater, beide hinkend, und schließlich der Ich-Erzähler, ein Mädchen von etwa 14-15 Jahre alt, den Blick auf den Boden. Trotzdem ist sie in der Lage ihre Familie scharfsinnig zu observieren. Eigentlich macht sie also was ich auch für diese Rezension machen soll.
Der Ich-Erzähler findet sich groß und dick und überall im Weg. Als ob sie am liebsten unsichtbar wäre, lässt sie sich die Haare vorne über die Augen wachsen. Sie möchte abnehmen und dazu einen Sauna-Anzug bestellen, hat aber Angst dass ihr auch die Brüste wegschmelzen. Der Hund ist auch nicht gerade perfekt: er hinkt. Er wurde von einem Auto überfahren und hat seitdem ein Krummes Bein. Der Vater hinkt auch. Er wurde nach einem Bänderriss viermal operiert, hat aber viel zu schnell wieder angefangen zu arbeiten und heute ist ihm das Gelenk steif geblieben, aber seiner Meinung nach gefällt so eine Schwachstelle an einem starken Mann den Frauen. Die Mutter findet das nur mäßig lustig. Die Frau ist das Produkt harter Arbeit und Mühe: sie hat getönte Haare, ein geschmincktes Gesicht, eine geturnte Figur, nur frisch gebügelte Wäsche. Während des Spazierganges hat sie in der Jackentasche ein ebenso frisch gebügeltes Taschentuch, Hundekuchen, Lippenstift und Kleingeld; sie hat vor alles vorgesorgt.
Der Hund muss raus, das Mädchen muss raus, weil die beide frische Luft brauchen. Auch der Vater braucht Luft; er arbeitet nämlich jeden Tag von früh bis spät, und wann sonnst würde er seine Tochter mal sehen? Und sie alle Rob wenn nicht beim Spaziergang? Alles ist in Ordnung, alles ist sauber, alles ist vorgeplant. Nichts kann passieren.
Am Ende der Geschichte zeigt es sich aber dass schon was passiert ist, dass nicht alles in Ordnung ist, dass man nicht alles vorplanen kann. Die Mutter hat eine scharfe Falte zwischen den Brauen, ihr Rücken, ihr Nacken und ihre Frisur verraten Wut. Die Familie arriviert bei einem Friedhof. Da besucht sie Rob, mit zehn Jahre gestorben vor Krebs. Ist die Mutter wütend auf den Sohn? Nein, sie ist böse auf den Vater: den Hund hat er schon gerettet, dafür hat er Zeit gehabt.
Der Landgasthof hat Betriebsferien, das hat die Mutter auch nicht gewusst, das war auch nicht vorgeplant. Dann rennt der Hund auf die große Straße zu, was alle ablenkt. Damit ist der Spaziergang zu Ende.
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